Hunger

Ich sitze auf meinem ‚Chefsessel‘ und schaue auf die Uhr – es ist kurz vor 12:00 Uhr. Der Blick auf die Tageskarte des kleinen Restaurants um die Ecke zeigt mir: Heute gibt es Käsespätzle. Eigentlich ganz lecker – aber halt nur eigentlich. Denn ich verspüre keinen wirklichen Hunger. Es ist mehr zur Routine geworden – und die heißt: 12:00 Uhr : Nahrungsaufnahme! Meine Gedanken schweifen ab – und ich erinnere mich an meine Kindheit.

Mein Vater hatte einen kleinen Handwerkerbetrieb – er war Fliesenlegermeister. In dem Dorf aus dem ich komme und in den Dörfern rund herum war klar: wenn es für einen Fliesenleger etwas zu tun gab, dann holte man meinen Vater. In den Ferien und meist auch samstags (ja – damals war der Samstag zumindest noch ein halber Arbeitstag!) ‚durfte‘ ich mit. Und weil die Dörfer nicht weit auseinander lagen, konnten wir meistens zum Essen nach Hause – zu Mama. Was für eine schöne Erinnerung!

Spätestens gegen 11:00 Uhr war es dann soweit. Ich bekam ’schrecklichen‘ Hunger. Und ich habe mir dann immer überlegt, was die Mama wohl gekocht hat. Das Knurren meines Magens kann ich mir noch genau vorstellen – und es kribbelt noch heute wenn ich daran denke. Zur Mittagszeit – und zuhause angekommen – atmete ich schon an der Haustüre tief ein – ich versuchte herauszufinden was wohl auf dem Herd stand. Meine Mama kochte hervorragend – aber ich muss trotzdem zugeben: das Essen war nicht immer nach meinem Geschmack. Aber mein großer Hunger machte mich weniger wählerisch. Es gab auch nicht jeden Tag Fleisch. Dafür aber war meine Freude umso größer, wenn es dann doch Spätzle, Soße und ein schönes Stück Fleisch gab. Und wie heute weiß ich noch, mit welchem Genuss ich dann gegessen habe – das war eine echte Freude und hatte jedes Mal etwas von einem Fest.

Und heute? Tja – heute schaue ich auf die Uhr – es geht ins Restaurant oder in die Kantine. Ich kann wählen zwischen mind. 10 Gerichten und – auch wenn es lecker schmeckt – es ist nicht so wie früher. Schade eigentlich – und irgendwie vermisse ich das.