Die Gelegenheit

Es ist der 28. März 2018. Ich bin in Eilat, am roten Meer. Dem südlichsten Zipfel von Israel. Hinter mir liegt eine 4-wöchige Wanderung durch die Wüste Negev. Mehr als 400 km zu Fuß – meist alleine, fast immer einsam und sehr eindrücklich. Spannend und manchmal lebensgefährlich.

Ich genieße den letzten Abend und bin auf dem Weg zu einem besonderen Restaurant. Klein, gemütlich – ein Geheimtipp. Gestern war ich auch da. Koscheres Essen – außergewöhnlich gut! Und doch blieb da ein Fragezeichen. Denn gestern konnte ich beobachten, dass alle nach mir kommenden Gäste abgewiesen wurden. Kein Einlass. Der Grund erschloss sich mir nicht. Platz war genügend da. Aber es kümmerte mich auch nicht. Ich war beschäftigt mit mir und mit meinem leckeren Essen. Gemüse mit Huhn. Köstlich – nach 4 Wochen Entbehrung erst recht.

Noch ein paar Meter. Dann bin ich da. Der Chef steht an der Eingangstüre und begrüßt mich mit einem fröhlichen ‚Shalom‘. Ich lächle – die Vorfreude ist mir anzusehen. Umso erstaunter bin ich – und meine Vorfreude ist mit einem Mal verschwunden – als er mir heute auch den Eintritt verweigert. Ein Versehen – denke ich – und nehme einen zweiten Anlauf. Freundlich, aber bestimmt, werde ich wieder abgewiesen. Ich frage – höflich und doch sichtlich enttäuscht nach dem Grund. Der Chef antwortet mir – lapidar und mit einem immer noch freundlichen Gesicht: „Weil wir kein Essen mehr haben“. „WAS? Kein Essen? Wo gibts denn sowas?“, denke ich und ich versuche ruhig zu bleiben. Vielleicht ist es ja auch nur ein Scherz.

Auf meine weitere Nachfrage erklärt mir der Besitzer. „Ich gehe jeden Morgen auf den Markt und kaufe so viel frische Ware ein, dass, wenn wir das alles verkauft haben, ich einen guten Tag hatte“. Punkt. So einfach. „Dann“, so fährt er fort, „Dann ist mein Arbeitstag vorbei und ich verbringe die restliche Zeit des Tages mit meiner Familie“.

Ich bin ein schwäbischer Schaffer und ich erkläre ihm, dass es so etwas ‚bei uns‘ nicht gibt. Er denkt kurz nach, holt tief Luft – und gibt mir die folgende Antwort: „Nun mein Freund“, sagt er, „Sieh es doch einmal mal von der anderen Seite“. Er legt seine Hand auf meine Schulter und spricht weiter. „Gott gibt dir heute die Gelegenheit, ein anderes tolles Restaurant kennen zu lernen“.

Ich bin gegangen und habe vorzüglich gespeist. In einem anderen, tollen Restaurant. Und je länger ich nachdenke, …