Die Art zu denken

Die Wüste Negev, ganz im Süden Israels. Karg und felsig. Und die meiste Zeit des Jahres unerbittlich heiß. Für mich ein magischer Ort, fast schon ein ‚zuhause‘.

Nur wenige Menschen kreuzen dort meinen Weg – den ‚Shvil Israel‘. Meist junge Männer und Frauen. Nach Ihrer drei- bzw. zweijährigen Militärzeit ist das eine Art ritualisierter Abschluss. Aber auch Männer in meinem Alter begegnen mir. Das Besondere daran: diese Männer waren alle schon mindestens zweimal in einem Krieg. Und zwar in einem ‚Echten‘. Und doch sehe ich etwas in ihren Augen. Leben! Unbändig, aber vor allem optimistisch und mit viel Zuversicht.

Nach einem fröhlichen ‚Shalom‘ folgen die immer gleichen Fragen an mich: „Hast Du genug zu trinken?“, „Hast du genug zu essen?“ und „Weißt du schon, wo du heute Nacht schläfst?“. Im dann folgenden Gespräch werde ich regelmäßig gefragt: „Woher kommst du?“. „Ich komme aus Deutschland“ sage ich dann. Ein fröhliches „Willkommen!“ und „Schön, dich hier in unserem wunderschönen Land zu haben, Frank aus Deutschland“, schallt mir dann entgegen.

Unsere Gespräche vertiefen sich zumeist. Ein junger Mann hat mir einmal – und dabei blickte er mir freundlich in die Augen – erzählt: „Mein Großvater ist in Dachau gestorben“. Dann hat er mir seine Hand hingestreckt und gesagt: „Danke, dass sich Deutschland so zuverlässig um meine Großmutter gekümmert hat“. „Sie ist“, sagt er weiter, „vor ein paar Monaten im Alter von 96 Jahren verstorben und hatte bis dahin noch ein sehr schönes Leben“. Ich bin beschämt über so viel Weitherzigkeit, Vergebung und Zuversicht.

Ich mag wie die Menschen dort denken. Alles ist auf das Hier und Jetzt gerichtet und die Zukunft wird nicht pessimistisch, sondern lösungsorientiert gedacht. Dazu fällt mir ein jüdischer Witz ein, der diese Art zu denken auf den Punkt bringt.

Gott beschließt, eine neue Sintflut zu schicken. Er ruft die Abgesandten der drei Religionen zu sich und verkündet: „Genug ist genug! Der Mensch ist schlecht und lernt nicht dazu. In drei Tagen ist es vorbei mit der Menschheit“. Und Gott weiter: „Geht hin und verkündet dies euren Schäflein“. Die drei Kirchenführer kehren zurück. Der Papst spricht zu seinen Schäflein: „Hüllt euch in Sack und Asche und tut Buße – das Ende naht“. Der evangelische Bischof spricht: „Uns bleibt nur das inbrünstige Bitten um Gnade, damit ER uns erhöre und das furchtbare Schicksal von uns abwende“. Der Oberrabbiner hingegen tritt vor seine Gemeinde und sagt: „Juden, wir haben noch 72 Stunden Zeit, um zu lernen, wie man unter Wasser lebt“.