Einerseits & andererseits…

Ein neues Gewerbegebiet soll entstehen – in Mundelsheim. Und es gibt sicher viele gute Gründe für dieses Vorhaben. Arbeitsplätze sollen geschaffen, Gewerbeeinnahmen generiert werden. Geld, das die Gemeinde gut gebrauchen kann. Verständlich also. Einerseits.

Aber ich sehe bei vielen Menschen Sorgen. Auch bei meinen Kindern. „Papa – warum wollen die das da bauen?“, werde ich gefragt, „haben wir nicht schon genug Flächen versiegelt?“. Was soll ich antworten? Haben doch meine Generation und die Generationen davor mehr das Wachstum als die Nachhaltigkeit vertreten. Grad so, als ob es für den Notfall eben mal schnell eine ‚zweite Welt‘ gäbe.

Lange habe ich um eine Antwort gerungen. Dann fiel mir ein. Mein Opa, der Kaspers Ernst, hat ‚im Kanal‘ (Neckar) gearbeitet und er hat oft erzählt, dass die Brücke in Hessigheim an der falschen Stelle steht, weil der Untergrund nicht stabil ist. Die Bewohner von Hessigheim haben die Planer gewarnt. Die Ingenieure haben nicht zugehört. „Kein Problem“ war damals die Antwort.

Und heute? Stützbohrung um Stützbohrung werden rund um die Brücke in den Boden getrieben. Der Bund, das Land und die Gemeinde versuchen die Staustufe mit unglaublich viel Aufwand und Geld zu halten. Erfolglos. Steter Tropfen höhlt den (Gips-) Stein – und mit ihm die Brücke und manch angrenzendes Grundstück. So ist die Natur. Sie hat Zeit. Und irgendwann – in nicht mehr allzuferner Zukunft – wird man die Brücke für den Autoverkehr wohl sperren (müssen).

Auch in Mundelsheim warnen Menschen. Der Opa meiner Kinder, der Harsch Wilhelm, war lange Zeit Waldarbeiter und Winzer. Er kannte – und vor allem – er liebte sein Land. Und auch er hat zu Lebzeiten oft gesagt: „Da oben ist der Schwamm von Mundelsheim, der Wasserspeicher für Regenzeiten“. Und weiter sagte er: „Von diesem Land sollte man die Finger lassen, sonst kommt irgendwann alles in den Flecken runter“.

Die Realität hat uns das jetzt brutal vor Augen geführt. Das Wasser kam. Und wie! Ja sicher – an dem Tag sind viele Dinge zusammengekommen. Unglaublich viel Regen in unglaublich kurzer Zeit und ein knochentrockener Boden, der kaum Wasser aufnehmen konnte. Und nochmal ja – auch die immer schwerer werdenden Landmaschinen tragen wohl ihren Teil zur Bodenverdichtung bei.

Es geht mir hier nicht darum, mit erhobenem Zeigefinger auf irgendwen zu zeigen. Das steht mir nicht zu. Was richtig oder falsch ist, kann ich nicht abschließend sagen. Aber ich mache mir Sorgen. Um uns. Und um unsere Kinder und Enkelkinder. Das Wissen darum und das ‚Wissen um die Brücke‘ sollten deshalb in die Entscheidung des Gewerbegebiets mit einfließen. Wir sollten auch darauf hören, was uns die Natur zu sagen hat. Denn die Natur braucht uns nicht. Umgekehrt sieht es schon ganz anders aus. Unter der Brücke hat sie gesprochen, die Natur. Und sie spricht noch.

Ich wünsche mir sehr, dass – wenn die Entscheidung dann gefallen ist – die Menschen einen respektvollen Umgang miteinander finden. Denn Meinungsvielfalt hat auch etwas Belebendes. Und nach der Entscheidung sollten wir – so ist das in einer Demokratie – gemeinsam den eingeschlagenen Weg gehen und das Beste daraus machen. So oder so…