Grippewelle

Eine Grippewelle rollt über Deutschland hinweg. Die Wartezimmer sind überfüllt. Auch mich hat es erwischt. Ich bin schlapp – müde – die Glieder schmerzen – Husten, Schnupfen, Heiserkeit. Ich gehe sofort zum Arzt und hoffe er verschreibt mir etwas, was mich schnellstmöglich wieder ‚einsatzbereit‘ macht. Denn – ich habe irgendwie ein schlechtes Gewissen. Krank sein ist heute negativ belegt. Man leistet nichts – drückt sich – lässt die Kollegen im Stich. Und dann ist da auch noch die Angst, dass man etwas verpasst oder am Ende gar entbehrlich wird.

Ich besuche einen guten Freund. Wir treffen uns alle paar Wochen zum Gespräch – wir reden so über dies und das und ich mag es sehr, dass er mein Leben aus einem anderen Blickwinkel betrachtet und mir auch so manchen guten Rat geben kann. „Wie geht es Dir“?, fragt er mich. „Ich bin krank“, sage ich geknickt und beschreibe ihm meine Symptome. „Schön“, sagt er. „Genießt Du das auch“? „Genießen“? – frage ich überrascht. „Ja“, sagt er und fährt fort: „Ich war vor zwei Wochen auch krank – und ich habe es genossen“. „Meine Frau hat mich umsorgt und verwöhnt, meine Kinder haben mich unterstützt. Ich musste keine Termine wahrnehmen, keine anstrengenden Telefonate führen“. Und dann sagte er – mit einem breiten Lächeln im Gesicht: „Ich habe krank GEFEIERT – und das hat mir richtig gut getan“.

Auf dem Nachhauseweg habe ich noch lange nachgedacht. In Gedanken bin ich zurück in meine Kindheit gegangen. Und ich konnte es förmlich spüren. Wenn ich als Kind krank war, dann war meine Mama ganz besonders fürsorglich – ganz besonders liebevoll. Sie hat mich umsorgt – sie hat mich gepflegt – und sie hat mir mein Lieblingsessen gekocht :-). Ich durfte krank ‚feiern‘ – keine Schule, keine Aufgaben im Haushalt, keine sonstigen Verpflichtungen. Ich durfte mich einfach fallen lassen und in Ruhe gesund werden!

Das fehlt (mir) heute – aber ich will das für mich wieder lernen. Denn krank wird man meistens dann, wenn Körper und Seele das brauchen. Innehalten (was für ein altmodisch anmutendes Wort), die Seele baumeln lassen, fünf gerade sein lassen und einfach krank feiern. Und ich habe mir fest vorgenommen: beim nächsten Mal ‚feiere‘ ich auch!